Neuraltherapie

Bei der Neuraltherapie, benannt nach ihren Entdeckern Ferdinand und Walter Huneke, wird ein Lokal-Anästheticum, das heißt ein örtliches Betäubungsmittel, zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken an bestimmte Stellen des Körpers gespritzt. Damit wird nicht nur ein begrenztes Gewebegebiet vorübergehend schmerzunempfindlich gemachte, sondern Schmerzen können sogar anhaltend gelindert werden.

Die schmerzlindernde Wirkung des Mittels erfolgt nicht über den Blutweg, sondern über das viel schneller leitende vegetative (unbewusste) Nervensystem. Dies erklärt die sehr schnelle Wirkung der Therapie, in manchen Fällen schon innerhalb von wenigen Sekunden, was deshalb als „Sekundenphänomen“ bezeichnet wird.

Die Neuraltherapie geht davon aus, dass örtlich begrenzte Reizzustände, sogenannte Störfelder, Nervenbahnen so reizen können, dass sie auch in entfernten Körperregionen chronische Beschwerden auslösen und lange anhalten können. Zum Störfeld kann jede krankhaft veränderte Stelle des Körpers und jedes krankhaft veränderte Organ werden. Durch die permanente Reizung, die von diesem Störfeld ausgelöste wird, kann für den Körper ein Dauerstress entstehen, der seine eigenen Regulationsmechanismen stört und zu einer „Regulationsstarre“ führt. Die Neuraltherapie unterbricht diese Starre mit Hilfe des injizierten Lokalanästhetikums und der auslösende Herd erhält so wieder Anschluss an das gesamtkörperliche Geschehen.

Zeitlich können zwischen der Entstehung eines Störfelds und der Entstehung dadurch bedingter Beschwerden Jahre vergehen, deshalb ist auch eine besonders genaue Befunderhebung notwendig. Der Einsatz der Neuraltherapie kann sowohl in der therapeutischen Behandlung als auch in der diagnostischen Störfeldsuche eingesetzt werden. Häufige Störfelder finden sich z. B. an Narbenverläufen, im Zahn- und Kieferbereich oder an den Mandeln.

Im Rahmen der eigentlichen Behandlung werden sehr geringprozentige Procain- oder Lidocainlösungen zur Bildung von Quaddeln unter die Oberhaut (intrakutan) injiziert. Es kann dabei entweder direkt in den Beschwerdeort oder das Störfeld, aber auch in das mit dem erkrankten Organ korrespondierende Hautareal bzw. in und um Nervenaustrittspunkte oder Nervenknoten (Ganglien) gespritzt werden. Zwischenzeitlich hat sich aber auch diese Therapie weiter entwickelt und es konnte festgestellt werden, dass ein positiver „Heil“-Reiz schon bei der Anwendung von Kochsalzlösung für Injektionszwecke in vielen Fällen ausgelöst wird. Es können auch eine ganze Reihe von Kombinationspräparaten mit verschiedenen homöopathischen Inhaltstoffen in Regionen injiziert werden, die mit Procain oder Lidocain nicht mehr erreicht werden kann.

Pro Behandlung werden ca. 5-10 ml des Lokalanästhetikums, oder eines anderen, für die Neuraltherapie geeigneten Medikaments, gespritzt. Je nach Krankheitsbild und Ort der Beschwerden wird das Präparat meistens auf mehrere Einstichstellen verteilt. In einigen Fällen reicht bereits eine einzige Behandlung aus, häufig sind jedoch 5-10 Behandlungen sinnvoll, um einen dauerhaften Erfolg zu erzielen.

 

Die Neuralterapie kann beispielsweise bei folgenden Anwendunge/Indikationen eingesetzt werden:

  • Arthrose
  • Chondropathia patellae (Knorpeldegeneration der Kniescheibe)
  • Colitis ulcerosa (Darmentzündung)
  • Epikondylitis (Entzündung des Ellenbogengelenks)
  • Fettleber
  • Gicht
  • Gefäßerkrankungen (z. B. Krampfaderleiden, chronisch venöse Insuffizienz)
  • Harnwegsinfekte
  • Gallensteine
  • Karpaltunnelsyndrom (Handwurzelschmerz durch Nervenkompression)
  • Kopfschmerz
  • Kollagenosen (systemisch-entzündliche Bindegewebserkrankungen)
  • Lebererkrankungen
  • Lumbago („Hexenschuss“)
  • Lymphödem
  • Migräne
  • Morbus Bechterew (entzündlich-rheumatische Erkrankung)
  • Morbus Menière (Drehschwindel mit Schwerhörigkeit und Ohrgeräuschen)
  • Morbus Scheuermann (Wirbelkörperreifestörung)
  • Morbus Sudeck (Folgeerkrankung gelenknaher Knochenbrüche)
  • Neuralgien
  • Osteoporose
  • Postherpetische Neuralgie (Schmerzsyndrom nach Herpes Zoster)
  • Rheumatoide Arthritis
  • Rhinitis (Schnupfen)
  • Roemheld-Syndrom (Herzbeschwerden aufgrund eines überblähten Magens)
  • Schulter-Arm-Syndrom
  • Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung)
  • Tendopathien (Erkrankungen der Sehnen)
  • Traumata (z. B. Knochen-, Muskel- oder Bänderverletzungen)
  • Trigeminusneuralgie (Entzündung eines Gesichtsnervs)
  • Ulcus cruris („offenes Bein“)
  • Urolithiasis (Nierensteine)

 

Gegenanzeigen/Kontraindikationen

Die Neuraltherapie darf nicht angewendet werden bei schweren Infektionskrankheiten, immunologischen Erkrankungen, bestimmten Allergien (vor allem gegen das Lokalanästhetikum!), akuten Entzündungen des betreffenden Hautareals oder Blutgerinnungsstörungen. Patienten mit sehr niedrigem Blutdruck oder Kollapsneigung sollten darüber im Vorfeld mit ihrem behandelnden Heilpraktiker sprechen.

 

Nebenwirkungen und Risiken

Es besteht das potenzielle Risiko eines anaphylaktischen Schocks (lebensbedrohliche allergische Reaktion).
Bei sachgerechter Anwendung sind mögliche Nebenwirkungen (z. B. Irritationen von Nerven, Gefäßen oder Organen durch die Injektionsnadel) selten. Es kann jedoch zu einer minimalen Blutung, einem kleinen Hämatom (“blauer Fleck“) an der Einstichstelle oder zu einem „Muskelkater-Gefühl“ im Bereich der Injektionen kommen.